A leidet an einer erheblichen psychischen Erkrankung. Am 6. Juni 1995 meldete sie sich bei der IV-Stelle Luzern und beanspruchte die Ausrichtung einer Invalidenrente. Der behandelnde Psychiater Dr. med. B erachtete die Versicherte in seinem Arztbericht vom 9. Juni 1995 als chronisch-psychisch krank und seit vielen Jahren in hohem Masse als vermindert arbeitsfähig. Er beurteilte die Arbeitsfähigkeit als Hausfrau zu 662/3%, als Künstlerin in einer anderen ausserhäuslichen Tätigkeit als zu 75% eingeschränkt. Berufliche Massnahmen seien weder angezeigt noch sinnvoll.
Mit Verfügung vom 20. Oktober 1995 teilte die IV-Stelle Luzern der Versicherten mit, dass ihr mit Beginn ab 1. Juni 1994 eine ganze ausserordentliche IV-Rente nebst Kinderrenten bei einem Invaliditätsgrad von 75% ausgerichtet werde.
A führte dagegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde und stellte den Antrag, die Rente sei ihr rückwirkend ab März 1983 auszurichten, weil sie bereits seit diesem Zeitpunkt erkrankt sei.
Die IV-Stelle schloss auf Abweisung der Beschwerde. Da die Anmeldung erst am 6. Juni 1995 erfolgt sei, könne die Rente erst mit Beginn ab Juni 1994 zugesprochen werden.
Das Verwaltungsgericht holte bei Dr. med. B, Spezialarzt FMH für Psychiatrie, einen Bericht betreffend Urteilsfähigkeit von A für die Jahre 1989 bis 1995 ein, welcher mit Datum vom 18. März 1997 erstattet wurde.
Aus den Erwägungen:
1. - Streitig ist einzig der Zeitpunkt des Rentenbeginns. (...)
a) Gemäss Art. 29 Abs. 1 IVG entsteht der Rentenanspruch nach Art. 28 IVG frühestens in dem Zeitpunkt, in dem der Versicherte mindestens zu 40 Prozent bleibend erwerbsunfähig geworden ist (lit. a) während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens zu 40 Prozent arbeitsunfähig gewesen war (lit. b).
Bleibende Erwerbsunfähigkeit (Variante 1) ist dann anzunehmen, wenn ein weitgehend stabilisierter, im wesentlichen irreversibler Gesundheitsschaden vorliegt, welcher die Erwerbsfähigkeit des Versicherten voraussichtlich dauernd in rentenbegründendem Masse beeinträchtigen wird (Art. 29 IVV). Als relativ stabilisiert kann ein ausgesprochen labil gewesenes Leiden nur dann betrachtet werden, wenn sich sein Charakter deutlich in der Weise geändert hat, dass vorausgesehen werden kann, in absehbarer Zeit werde keine praktisch erhebliche Wandlung mehr erfolgen (BGE 111 V 22 Erw. 2b mit Hinweisen).
b) Wer auf Leistungen der Invalidenversicherung Anspruch erhebt, hat sich bei der zuständigen Invalidenversicherungs-Stelle (IV-Stelle) anzumelden.
Befugt zur Geltendmachung des Anspruchs sind der Versicherte, sein gesetzlicher Vertreter sowie Behörden Dritte, die den Versicherten regelmässig unterstützen dauernd betreuen (Art. 66 Abs. 1 IVV).
c) Der Anspruch auf Nachzahlung erlischt mit dem Ablauf von fünf Jahren seit Ende des Monats, für welchen die Leistung geschuldet war (Art. 48 Abs. 1 IVG). Meldet sich jedoch ein Versicherter mehr als zwölf Monate nach Entstehen des Anspruchs an, so werden die Leistungen lediglich für die zwölf der Anmeldung vorangehenden Monate ausgerichtet. Weitergehende Nachzahlungen werden erbracht, wenn der Versicherte den anspruchsbegründenden Sachverhalt nicht kennen konnte und die Anmeldung innert zwölf Monaten seit Kenntnis vornimmt (Art. 48 Abs. 2 IVG).
2. - Die Beschwerdeführerin leidet seit 1983 an hebephrener Schizophrenie. Sie hat Anspruch auf eine nachträgliche Ausrichtung von Rentenleistungen vor Juni 1994, falls sie vor Juni 1995 nicht wusste, dass sie Anspruch auf Leistungen der IV gehabt hätte. Ein solcher besteht aber frühestens seit Juni 1990, da Rentenleistungen allerlängstens fünf Jahre vor der Anmeldung rückwirkend ausbezahlt werden.
a) Die Beschwerdeführerin befand sich vom 18. Januar bis 24. März 1990 in der Psychiatrischen Privatklinik des Sanatoriums X. Sie war dort wegen einer im Verlaufe des Wochenbettes (Geburt der Tochter am 4. Januar 1990) aufgetretenen Exacerbation ihrer hebephrenen Schizophrenie. Im Vordergrund der Erkrankung stand gemäss Bericht der Privatklinik X vom 18. April 1990 eine massive Verwahrlosungstendenz, ihre Realitätsfremdheit, die schwierigen familiären Verhältnisse und anderes mehr. Am 24. März 1990 entwich die Beschwerdeführerin - nachdem die Frage ihrer Bevormundung gestellt worden war - aus dem Sanatorium X nach Frankreich. Für die Zeit, welche sie dort verbrachte, fehlen weitere medizinische Unterlagen, bis sie am 1. Dezember 1994 eines maniform angetriebenen Zustandsbildes wegen in der Klinik S in Frankreich psychiatrisch hospitalisiert wurde. Sie blieb bis zum 16. Dezember 1994 dort und weilte anschliessend erneut in der Psychiatrischen Privatklinik Sanatorium X. Ab 13. März 1995 bis heute befindet sich die Beschwerdeführerin in ambulanter Behandlung bei Dr. B. Dieser führt in seinem Bericht vom 16. September 1997 aus, ihm sei während der ganzen Zeit, da er die Beschwerdeführerin behandle, aufgefallen, wie wenig Krankheitseinsicht sie zeige. Für sie selbst sei immer klar gewesen, dass sie im Grunde genommen eigentlich psychisch gesund und zu Unrecht in psychiatrischen Kliniken behandelt worden sei. Die aus medizinischer Sicht klare chronische Geisteskrankheit sei während Jahren von der Beschwerdeführerin und ihren nächsten Bezugspersonen nicht als Krankheit akzeptiert worden. Unter diesen Umständen werde auch verständlich, dass die Beschwerdeführerin nicht an eine Anmeldung bei der IV-Stelle gedacht habe. Sie sei ihrer psychischen Krankheit, aber auch des Einflusses der Umwelt wegen nicht in der Lage gewesen, ihr Kranksein einzusehen. Es habe ihr an Urteilsfähigkeit im hier interessierenden, aber auch in andern Bereichen gefehlt.
b) Die Arztberichte vom 18. März beziehungsweise insbesondere derjenige vom 16. September 1997 des die Beschwerdeführerin behandelnden Psychiaters, Dr. B, sind einleuchtend und geben ein klares Bild des beschwerdeführerischen Gesundheitszustandes. Sie sind in Berücksichtigung der Akten und der Anamnese verfasst. Insbesondere lässt sich daraus entnehmen, dass die Versicherte ihren Gesundheitszustand und die damit verbundene Erwerbsunfähigkeit wegen ihrer Krankheit nicht kennen konnte und daher auch nicht in der Lage war zu erkennen, dass sie sich zum Leistungsbezug anzumelden hatte. Die zahlreichen ärztlichen Berichte ergeben ein lineares Bild. Es gibt daher keine Anhaltspunkte anzunehmen, dass der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin in der Zeit vom März 1990 (Flucht aus der psychiatrischen Privatklinik X) bis Dezember 1994 (notfallmässige Einweisung in eine psychiatrische Klinik in Frankreich), in der keine Arztzeugnisse vorhanden sind, vorübergehend wesentlich besser gewesen wäre. Vielmehr hat Dr. B überzeugend dargelegt, dass die Geisteskrankheit der Beschwerdeführerin bereits in den 80er Jahren chronifiziert war und auch künftig kaum mit einer Besserung zu rechnen ist. Damit steht fest, dass die Invalidenrente der Beschwerdefüh-rerin samt Kinderrenten in Anwendung von Art. 48 Abs. 2 IVG rückwirkend ab Juni 1990 auszurichten ist.
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